Die Lustlosigkeit der Männer

Was ist bloss mit den Männern los? Was in einer Beziehung passiert, wenn der Mann die Lust am Sex verliert.
Von Anuschka Roshani

Und wieder war ein Tag vorbeigegangen, ohne dass sie in ihrem Kalender, den sie nur in ihrem Kopf führte, ein symbolisches Herzchen eintragen konnte. Sie schminkte sich ab, zog sich das Nachthemd über und schlüpfte ins Bett, in dem er bereits lag und las. Sie schnappte sich ebenfalls ihr Buch, aber nach ein paar Seiten fielen ihr die Augen zu, sie drehte sich zu ihm um und küsste ihn zur Nacht. Obwohl der Kuss ein Gute-Nacht-Ritual war, war es kein flüchtiger Kuss, auch kein liebloser – allein der Gedanke, dass aus ihm kein Auftakt würde, gab ihm einen schalen Beigeschmack.

Schnell schliefen beide ein; wenn sie aber in der Nacht wach wurde und in der Dunkelheit zur Decke hoch starrte, die sie nicht sehen konnte, verfing sie sich in Rechenaufgaben: Wann hatten sie das letzte Mal Sex gehabt? Wann würden sie das nächste Mal miteinander schlafen müssen, damit ihre Ehe nicht den Bach hinunterging, damit sie nicht endgültig aus dem Raster normaler Paare fielen?

Es war ein Aberwitz, sie liebten sich ja. Und sie wollte mit niemand anders Sex, ausser vielleicht in ihren Fantasien; er aber setzte sie auf eine Dauerdiät, sodass sie sich wie eine Hungerleiderin fühlte. Bedürftig. Und damit erbärmlich, ein Bild des Jammers: dass sie meinte, das zu brauchen.

Teilen, was gar nicht da ist?

Konnte man darüber reden? Nein. Oder schwer. Das endete nur in Vorwürfen, wütend und wirr in die Luft geworfen, von Bittstellerin in Richtung Verweigerer, das letzte bisschen Lust wurde dabei noch zerredet – und war Leidenschaft nicht das Gegenteil von Ratio?

Über die Jahre hatte sie sich zur Expertin in eigener Sache entwickelt, sich Wissen angelesen, aber die einzige Auswirkung all der Ratgeberbücher, die sich in den Regalen der Buchhandlungen dazu fanden, war die Erkenntnis, dass es anscheinend eine ganze Reihe von Paaren wie ihnen gab: dass sie ihr Los mit anderen teilte. Aber kann man überhaupt etwas teilen, was gar nicht da ist?

Trotzdem war das tröstlich. So eine Ausnahme waren sie also doch nicht, auch wenn es in den gängigen Statistiken nach wie vor hiess, dass der Durchschnittsschweizer zwei- bis dreimal pro Woche Sex hatte, Singles im Schnitt seltener als jene, die eine Beziehung führten. Das fand sie kurios. Noch kurioser, dass sie in dieser Hinsicht liebend gern langweilig-medioker gewesen wäre.

Mit 40 noch nicht beim alten Eisen

Was sie mit diesem einsamen Wissen anfangen sollte, wusste sie aber noch immer nicht, selbst wenn es ihr Durchhaltevermögen stärken mochte. Nicht einmal mit ihren engsten Freundinnen mochte sie über seine Unlust reden; bei denen, die genauso lange verheiratet waren wie sie, schien es gar kein Thema zu sein. Für die war es offenbar Alltagsbestandteil, wie Zähneputzen und drei Mahlzeiten am Tag – jedenfalls nichts, woran man einen Gedanken verschwenden musste. Konnte nur heissen, dass es an ihr lag. Daran, dass sie nicht sexy war, nicht begehrenswert, zumindest für ihren eigenen Mann nicht.

Dabei war sie kein graues Mäuschen, und mit 40 gehörte sie auch noch nicht zum alten Eisen, aber welchen Zweck sollte es noch haben, sich aufzuhübschen, die Lippen rot zu malen, ein schönes Kleid zu kaufen, wenn der Blick, den sie damit anzuziehen hoffte, kein begehrlicher war, allenfalls ein zärtlicher? Sie war sich nicht einmal zu blöde gewesen, Dessous zu kaufen – dabei hatte sie, schon während sie diese bezahlte, sich vor der Verkäuferin dafür geschämt, dieses Geschirr offensichtlich nötig zu haben. Im gleichen Atemzug gedacht, dass sie sich wie eine Prostituierte fühlen würde, wenn es durch ein Paar Strapse ausnahmsweise dazu käme. Natürlich würde er ihr kein Geld dafür geben, aber ein Stück weit würde sie ihre Seele verkauft haben.

Und wenn wieder nichts passierte, wäre das Elend ebenso gross: Bei ihnen half folglich gar nichts mehr; ihre Körper wurden von lebendigen Organismen zu toten Hüllen, lösten sich auf, Jahrzehnte, bevor sie wirklich zu Erde oder Asche wurden. Bis ans Ende ihrer Tage würde das so weitergehen. Mit Glück würden sie mit 80 gemeinsam auf einer Parkbank sitzen, händchenhaltend. Wenn sie Pech hatten, wären ihre Hände die letzten Berührungspunkte, die dann von ihrer Ehe übrig geblieben waren. Als wäre dieses Kapitel in der Mitte des Buches zugeklappt worden, bevor seine Seiten anfingen zu vergilben.

Nähe killt die Lust

Wie eine Flipperkugel kam sie sich manchmal vor, hin- und hergeschleudert von den Wahrheiten (oder Mythen?), denen sie bei der Lektüre begegnete: Mal hiess es, als Paar kaum oder keinen Sex mehr zu haben, liege in der Natur langjähriger Beziehungen. Was man fest im Sack habe, sei nach gewisser Zeit zwangsläufig kein Objekt der Begierde mehr. Die Nähe kille die Lust, das sei nun mal so. Zu Beginn war der Sex in der Tat automatisch abgelaufen, wie auf Autopilot. Nie hätten sie sich damals vorstellen können, dass sich das ändern würde.

Dann wieder hörte sie von den Fachleuten, dass sexuelle Unlust Ausdruck unverarbeiteter Beziehungsprobleme sei. Und klar hatte es Enttäuschungen gegeben, Irrläufe, Kränkungen, Zurückweisungen. Aber gab es eine Ehe, die dauerte, in der sich das nicht als Bodensatz anhäufte?

Wieder andere empfahlen, den Appetit auswärts zu stillen – manche Partner würden einander die Seitensprünge regelrecht genehmigen, solange die Verabredung eingehalten würde, dass dadurch ihr Paarsein nie auf dem Spiel stünde. Ja, was sprach dagegen, ausser das grosse Risiko, sich wider die Vernunft heftig zu verlieben? Und war das, was sie sich zurückwünschte, unterm Strich vielleicht eh nicht viel mehr gewesen als das routinierte Rein-Raus zur Ehehygiene, zur Gesundheitspflege – auf jeden Fall das Gegenteil von aufregendem Tantra-Sex, für den an den Schwarzen Brettern geworben wurde, von Sex mit garantierter Tiefenwirkung? Bewusstseinsveränderung inklusive.

Und trotzdem hörte ihre Sehnsucht nicht auf. Er lag auf seiner Seite des Ehebetts, als sie ihre Daunendecke aufschlug und sich neben ihn legte, gerade mal 50 Zentimeter von ihm entfernt. Es war ein spannendes Buch, das er las, aber in seinen Blick, den er ins Buch senkte, packte er noch eine Spur mehr Konzentration als nötig. Es wäre Unsinn zu sagen, dass er sie fürchtete. Sie nicht, aber ihre Annäherungsversuche. Sobald er nicht darauf einging, war er der Buhmann. Und wenn er etwas nicht wollte, dann dies: sie traurig machen. Aber war es nicht trotzdem sein gutes Recht, nicht zu wollen? Das hatten sich die Frauen doch auch erkämpft. Nicht mehr als die frigide, vertrocknete Zicke dazustehen, die mal wieder Migräne vorschützte. Und umgekehrt, bei ihnen? Bei Männern reichte es nicht einmal zu müden Witzen.

Ihm fehlte im Grunde nichts

Müde war er sowieso schon. Durch und durch erschöpft davon, von morgens bis abends seinen Mann stehen zu müssen, kein Schlappschwanz zu sein: bei der Arbeit, als Familienernährer, als Vater, beim Sport, im Freundeskreis. Musste er das unbedingt auch noch im buchstäblichen Sinne unter Beweis stellen? Seit ein paar Jahren konnte er keine zusätzliche Anstrengung gebrauchen, und Sex war – wenn er sich nichts in die Tasche log – Anstrengung für ihn. Die Leichtigkeit der ersten Jahre hatte sich verflüchtigt; Genuss und Entspannung stellten sich schneller ein, wenn er eine gute Flasche Wein öffnete. Entspannung aber war eine Überlebensmassnahme für ihn geworden, sonst hielte er sein Alltagsprogramm gar nicht durch.

Ausserdem hatte er bemerkt, dass man das, was man länger nicht hatte, aufhörte zu vermissen. Sex hinterliess keinen Phantomschmerz. Ihm fehlte im Grunde nichts, und wären da nicht die vorwurfsvollen Mundwinkel seiner Frau gewesen, in denen womöglich der Gedanke an Scheidung nistete, hätte ihn nichts beunruhigt. Ab und zu masturbierte er im Schnellverfahren unter der Dusche oder schaute mal eben einen Porno im Internet, aber wenn er ehrlich war, dann lief das für ihn auch nicht unter Sinnenfreude, sondern mehr, um den Motor in Gang zu halten. Er war 41, noch kein Greis, bloss, so wie es aussah, auch kein Lustgreis.

Das konnte es noch nicht gewesen sein – oder doch? Versiegte die Manneskraft vielleicht so früh? War ja nicht so, dass seine Erektion noch immer die gewesen wäre, die er als Zwanzigjähriger hatte. Und das Gerede von der Andropause? Dass wie bei Frauen in der Menopause die männliche Libido abnehme, weil das Testosteron nur die Körper junger Männer flute? Es einfach der Lauf der Dinge war, der körperlichen Natur, nicht mehr jede Minute an Sex zu denken, geschweige denn daran, jeden Tag Sex zu haben? Haben zu wollen?

Übertreibung macht den halben Spass aus

Mit seinen Kumpels konnte er darüber nicht reden; sie würden ihm so was auch nie erzählen. Und Beziehungsgespräche mit der Frau waren nichts, worum er sich riss. Frühere Unterhaltungen über Sex, noch als Student, hatten sich weitgehend darauf beschränkt, dass man sich vor den anderen Männern als toller Kerl aufspielte, wie viele Frauen man bereits um den Verstand gevögelt hatte. Insgeheim wussten wahrscheinlich alle, dass die Übertreibung den halben Spass ausmachte. Dadurch aber blieb es auch ein Geheimwissen, ob der Freund das genauso kannte: keine Lust zu haben. Oder ob er allein ein Mängelexemplar seiner Art war.

Andererseits: Zumutungen des Alltags gab es nicht gerade wenige, und da konnte man es sich doch wohl zugestehen, diese mit einem Feierabendbier herunterzuspülen, um tadellos weiterzufunktionieren.

Bliebe bloss die Angst nicht: zu versagen, als Mann und Mensch. Ein Rohrkrepierer zu sein. Dem schlimmstenfalls die Frau davonrennt, weil er sie nicht befriedigen konnte. Schlimmer, angeblich nicht befriedigen wollte: der Gegen­entwurf eines umwerfenden Liebhabers. Die Ironie der Geschichte war, dass ihm selten etwas wichtiger gewesen war, als es ihr recht zu machen. Auch beim Sex sollte vor allem sie auf ihre Kosten kommen; sein Orgasmus kam ja, zumindest für eine ziemlich lange Weile, von ganz allein, fast ohne sein Zutun.

Und er liebte sie ja, nach wie vor. Fand sie schön, sogar sexy. Die paar Dellen an den Schenkeln, die schlecht verheilte Kaiserschnittnarbe hatte er gar nicht gesehen, bis sie ihn ein Dutzend Mal jammernd darauf aufmerksam gemacht hatte – das alles war es nicht. Er spürte einfach keine Sehnsucht mehr.

Bis hierhin ist das eine fiktive Geschichte, sie und er sind ausgedacht, erfundene Geschöpfe. Aber wie heisst es immer so schön bei Fiktionen? Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Insofern handelt es sich doch um keine Fiktion, weil die beiden zwar konstruierte Wesen sind, aber zusammengesetzt aus den Schilderungen der Gefühle, Handlungen und Haltungen echter Menschen, aus deren Beziehung sich der Sex verabschiedet hat – oder höchstens mal aus der Ferne winkt.

Sex in vielen Ehebetten eingeschlafen

Immer wieder nämlich kam es in den letzten Jahren im Freundeskreis zur Sprache, unter Frauen, aber auch im vertrauten Gespräch mit männlichen Bekannten – und sowieso in beinahe jedem Gespräch mit Leuten vom Fach: dass der Sex in vielen Ehebetten eingeschlafen sei. Weil der Mann sich auf die andere Seite drehe und wegschnarche, während die Frau Anstalten mache, mit ihm zu schlafen.

Therapeuten sind es von Berufs wegen gewohnt, die Dinge beim Namen zu nennen; Normalsterbliche beherrschen das, auch bei diesem von gemischten Gefühlen begleiteten Thema, nicht einmal unbedingt schlechter: Reden ebenso offen, allerdings nur unter vier Augen. Daher existieren dieser Mann und diese Frau so nicht, nur in Teilstücken. Sie sind aus der Not Geborene. Weil ebenjene, die damit Not verbinden, diese nicht öffentlich verhandelt wissen wollen. Nicht mit Namen in der Zeitung stehen möchten.

Dazu muss man nicht viel erklären, selbst wenn sich das Verständnis von Intimsphäre in den letzten 15, 20 Jahren stark verändert haben mag durch unsere Bildergegenwart: Der Sex in langjährigen Beziehungen findet unverändert im geschützten Raum statt. Den exzentrischen Spielarten gilt die mediale Aufmerksamkeit, angefangen beim Swingersex über Sadomaso bis zu trashigem, mit Prominenz gewürztem Reality-TV-Sex. Aber der stinknormale? Kommt nach wie vor lediglich in den eigenen vier Wänden vor – oder gerade nicht mehr vor.

Und normal, was heisst das schon? Und was heute? In den Fünfzigerjahren stellten sich die Ehefrauen ihren Männern sexuell zur Verfügung; stillten ein paarmal pro Woche ritualisiert die als gesund geltenden Lüste ihrer Gatten. 2014 dagegen, sagt eine Studie des Forschungsinstituts Trend Research, hatte nur gut die Hälfte, genauer 54 Prozent, aller Schweizer einmal pro Woche Sex (2011 waren es noch 70 Prozent). Glaubt man den Wissenschaftlern, dann hat sich die Lustlosigkeit der Männer in ebenjenen Jahren ausgebreitet, in denen sich auch die Internetbilder des Sexuellen rasant vermehrten. All die digitalen Versprechen, seinen Trieb rund um die Uhr anstrengungslos befriedigen zu können. Etwa seit der Jahrtausendwende. Aber bedeutet diese Gleichzeitigkeit schon Kausalität? Mann = stumpfer Pornokonsument = lustlos?

Lautes Schweigen im Walde

Dass der Sex überall zugegen ist, zum Massenkonsum­artikel wurde, bedeutet zumindest nicht, dass frank und frei über ihn gesprochen wird; jeder partnerschaftliche Diskurs über freie Lust und Leidenschaft, seit 1968 fleissig eintrainiert, ist jäh verstummt. Sobald es ans Eingemachte geht: Lautes Schweigen im Walde.

Im Krankenkassen-Deutsch heisst das Phänomen nüchtern «Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen» und wird als Störung behandelt. Jeder Mann allerdings – und das gilt längst nicht als pathologisch – hat erfahren, dass er nicht immer können kann. Aber wollen? Das schien lange kein Thema zu sein. Denn seitdem das Dogma der Machbarkeit herrscht, scheint auch die Lust machbar geworden (spätestens seit Viagra – demnächst für Frau und Mann).

Trotzdem, ist alles vielleicht halb so wild? Ganz einfach so, wie es der Therapeut Klaus Heer sagt: dass wir alle bloss einer kollektiven «Wahnvorstellung» unterliegen, weil wir uns an der uralten Überzeugung festklammern «Wer liebt, der begehrt»?

In die Praxen seiner Kollegen, von Sexual- und Paartherapeuten wie Karoline Bischof, Ann-Marlene Henning oder Ulrich Clement, kommen seit ein paar Jahren mehr und mehr Männer, von ihren Frauen hingeschleppt oder aus freien Stücken, die sich mit dem Verlust ihrer Lust schwertun. Die sich als unzulänglich, als defizitär empfinden. Die leiden und daher etwas ändern wollen.

Wo setzen die Fachleute dann an? Das ist das Spannende daran: Obwohl die einen eher körperzentriert arbeiten, während die anderen eine Klärung der Verhältnisse mithilfe des Gesprächs suchen, fassen sie alle den Einzelnen ins Auge – auch wenn es als Paarproblem erscheint. Nicht im Sinne von Schuldzuweisungen – einer von beiden hat es verbockt. Und soll sich nun passend machen.

Stattdessen fangen sie an, zusammen mit ihrem Klienten zu fragen: Wer bin ich als sexuelle Person? Weil Therapeuten davon ausgehen, dass Sexualität kein Nebenaspekt von Spass ist, sondern eine zentrale Ausdrucksform von Persönlichkeit. Und dass es sich im Hinblick auf ein gutes Leben lohnt, mehr darüber zu wissen, wer man ist, wie man sich auf seinen Partner einstellt, wo man seine Befriedigung erlebt und wo nicht. Ihre Rolle dabei ist es, die Einzelstränge der Paarkordel zu entflechten und den Blick zu lenken.

«Spür mal dein Geschlecht»

Die Hamburger Sexualtherapeutin Ann-Marlene Henning vertritt, wie ihre Kollegin, die Gynäkologin Karoline Bischof vom Zürcher Institut für klinische Sexologie, den wissenschaftlichen Ansatz Sexocorporel, dem Körper und Geist als untrennbare funktionale Einheit zugrunde liegen. Für sie besteht die Wurzel des Übels darin, dass die meisten in unserer scheinbar so aufgeklärten Welt nicht die leiseste Ahnung haben, was ihnen Lustgefühle verschafft. Fast alle meinen zu wissen, worauf sie keine Lust haben, aber worauf sie Lust haben, wissen sie nicht zu sagen. Sie müssten erst lernen zu geniessen. Denn Sex sei – wie fast alles – etwas, das man üben müsse, damit es gelingt.

«Spür mal in dein Geschlecht», rät Henning daher ihren Klienten, «nimm wahr, werde achtsam gegenüber deinem Körper!» Und Bischof macht sogar die Schaukelbewegung vor, die, anders als bei der Penetration mit brettsteifem Becken, erst Sinneswahrnehmung mit sich bringe. Die Männer, hat sie beobachtet, hätten oft einen völlig verspannten und dadurch schlecht durchbluteten Beckenboden, was Genuss von vornherein verhindere; ihnen sei gar nicht klar, dass Sex mehr sein kann als ein Zehn-Sekunden-Orgasmus und es nebenbei der Frau auch noch «ordentlich zu besorgen». Und sie ärgert sich über die gesellschaftliche Doppelmoral, die das Erlernen von sexuellen Lustgefühlen auch verunmögliche: Ein Mann solle ständig und ewig können, aber hätte er nur den Anflug einer Erektion auf einem öffentlichen Platz, würde er beinahe als Triebtäter betrachtet.

Zu sich kommen. Bei sich sein. Das sehen die Experten als eigentliche Voraussetzung für eine glückliche Sexualität, völlig unabhängig davon, wie viel oder wenig Testosteron ein Mann im Blut hat oder ob eine Frau mit starker oder schwacher Libido auf die Welt gekommen ist.

Guter Sex trotz Liebe

Ulrich Clement, Leiter des Instituts für Sexualtherapie Heidelberg und Professor an den Universitäten Heidelberg und Basel, hat mit diesem Ziel vor Augen sogar jüngst ein ganzes Buch geschrieben, nach Büchern wie «Guter Sex trotz Liebe. Wege aus der verkehrsberuhigten Zone». Diesmal ist es kein Ratgeber, sondern ein Fragebuch: «Think Love. Das indiskrete Fragebuch». 201 Fragen stehen darin, auf die es keine richtige oder falsche Antwort gibt, nur eine höchstpersönliche. Zum Beispiel: «Wurdest du in deinem Liebesleben schon einmal so verletzt, dass du es heute noch spürst?» Oder: «Wie ist es für dich, beim Sex zu ‹führen›?» Oder: «Wenn ich meine bisherigen Partner vergleiche: Gibt es bei allen Unterschieden eine Gemeinsamkeit?» Oder: «Woran merkst du, dass du jemanden liebst? Woran merkst du, dass du jemanden begehrst? Worin liegt der Unterschied?»

Lauter Fragen, die man sich stellen kann, stellen sollte, sofern man sich dem Wagnis aussetzen mag, sich selbst kennen zu lernen. Indem man sich allein befragt – oder auch zusammen mit seinem Partner. Risiken und Nebenwirkungen allerdings sind bei diesem Prozess nicht ausgeschlossen, behauptet Clement. Und erzählt hier, worauf man sich dabei genau einlässt.

Herr Professor Clement, ist der lustlose Mann ein neues Phänomen?
Die Zahl der Männer, die explizit sagen, sie haben keine Lust auf Sex, nimmt deutlich zu. Als ich vor mehr als 30 Jahren als Sexualtherapeut angefangen habe, konnte man sich einen lustlosen Mann überhaupt nicht vorstellen. Es gab lediglich Männer mit Erektionsstörungen, aber es herrschte die Vorstellung, wenn sich dem Mann eine attraktive Gelegenheit bietet, dann will er auch. Diese Geschlechtervorschrift hat sich sehr relativiert. Es gibt vorwiegend mittelalte, aber zunehmend auch junge Männer, die feststellen: Obwohl ich eine attraktive Partnerin habe, obwohl unsere Beziehung gut funktioniert, habe ich oft einfach keine Lust. Das ist ein riesengrosses Tabu.

Das oft mit Übersexualisierung in Verbindung gebracht wird. Sind Internetpornos schuld daran, dass selbst mancher junge Mann heute kaum noch echten Sex will?
Ach, man darf das nicht dämonisieren, die meisten Jugendlichen können gut damit umgehen. Ich wills auch nicht verharmlosen, aber Internetpornografie zu einer Grossgefahr zu machen, halte ich nicht für richtig. Ich glaube, mit den Herausforderungen wächst auch die Kompetenz, damit um­zugehen: In Gegenden, wo es viel regnet, weiss man mit Regenschirmen besser umzugehen. Und bei den Jungen wird die Lustlosigkeit seltener zum Problem: Die trennen sich dann einfach, suchen ein neues Glück, eine neue Chance. Die Mittelalten dagegen sagen: Lass uns dran arbeiten, vielleicht geht noch was. Und die ganz Alten sagen, wir bringen es noch zu Ende, irgendwie. Deshalb sind die Mittelalten besonders interessant, weil sie heute anders 50 werden als vor 30 Jahren. Die sagen, das kanns noch nicht gewesen sein. Das ist neu, bei Frauen noch einmal mehr als bei Männern.

Die Frauen formulieren eher Ansprüche?
Ja, Männer sind toleranter gegenüber Unvollkommenheit. Lassen eher mal fünfe grade sein, sagen, es geht schon, während Frauen sagen, nee, geht nicht. Frauen sind aufmerksamer für atmosphärische Nuancen, für Dinge, die sie als unstimmig erleben. Mit ihren Gefühlen präziser. Es gibt doch diesen Klassiker, über den viele Witze gemacht werden: Du hast doch was, sagt die Frau, und der Mann antwortet, nein, ich habe nichts. – Aber ich merke doch, dass du was hast . . . Ja, vielleicht hat er tatsächlich was, aber er meint, man muss nicht unbedingt darüber reden. Und die Frau meint, ich fühle mich von dir nicht gesehen, wenn ich nicht weiss, was in dir vorgeht.

Ob die sexuelle Reizüberflutung schuld ist oder nicht, Tatsache bleibt, in unserer westlichen Gesellschaft nimmt das Problem zu.
Trotzdem finde ich es nochmals wichtig, zu betonen, dass man die männliche Lustlosigkeit zunächst einmal nicht als Problem verstehen sollte. Sondern einfach als Sachverhalt. Ich bin dagegen, sie als gesellschaftlichen Indikator zu betrachten, würde es lieber so sagen: Es gibt eine grosse Variation in allen Eigenschaften, also manche Männer sind 2,05 Meter gross, manche 1,60 Meter, manche sind dick, manche dünn, manche haben viel Lust, manche wenig. Bei Lebewesen gibt es eine Variation, und die Variation ist nicht per se gut oder schlecht. Und ob etwas Bedeutung hat oder nicht, muss man individuell anschauen – etwa, ein Mann zieht sich zurück, weil er Angst hat, dass ihn zu viel Nähe demontiert –, dann kann man sagen, es ist ein Symptom. Oder er mag einfach nicht, ohne weitere Begründung. Oder anders: Hat ein Mann, der 1,60 Meter gross ist, eine Wachstumsstörung, oder ist er halt einfach 1,60 Meter gross?

Was geht beim Reden von Paaren über ihren Sex schief?
Der Punkt ist nicht, dass sie nicht sprechen können, der Inhalt ist das Problem: Was man mit dem Sprechen auslöst. Ich würde dir gern einmal zugucken, während du meinen Freund vögelst. Oder dich fesseln, dass du dich nicht wehren kannst. Oder einen Quickie machen, ohne mich anzustrengen. Alles, was nicht in die romantische Richtung geht, ist stark tabuisiert. Über das Individuelle wird nicht geredet, über das Höchstpersönliche. Es wird nur der normale Refrain von Leidenschaft und Romantik, den jeder singen kann, abgespult. Die Schwierigkeit kommt, wenn einem selbst mulmig wird. Mich beschäftigt in letzter Zeit stark, wie man sexuelle Fantasien therapeutisch aktiviert, das ist schwer. Denn wenn man die Klienten fragt, was haben Sie für sexuelle Fantasien, dann kommt meistens nichts Besonderes oder nur, ach, mal im Freien.

Aus Angst, der Partner könnte einen als pervers empfinden?
Ein Tabu sind ja nicht nur die wilden, abartigen, ungewöhnlichen Praktiken – Banalität ist auch ein Tabu. Oft sind es ja banale Wünsche, vom Mann her: Ich möchte einfach mal kurz drüberrutschen, kommen und dann einschlafen. Oder vonseiten der Frau: Ich möchte dich einfach mal drücken. Die Erwartung, dass es gleich intensiv, farbig, schillernd sein soll, ist so stark, und das Alltägliche wird als Defizit erlebt, deshalb mögen es viele nicht sagen. Die beiden Taburichtungen sind: zu abwegig oder zu banal.

Unterscheidet sich die Angst von Mann und Frau?
Die uralte Grundfrage des Mannes lautet: Bin ich gut? Die der Frau: Bin ich gemeint? Wenn Männer zuverlässig eine Erektion haben, können sie aufatmen, und wenn sich Frauen von ihm gemeint, gesehen fühlen, dann ist alles gut, egal, was er macht.

Ist die eigentliche Angst die, sich zu zeigen?
Da haben Sie genau den Punkt: sich zu zeigen. Und gesehen zu werden. Meine Fantasien gehören zu mir, die sind ja meine Person. Es gibt zwei komplementäre Grundängste: Der andere ist zu weit weg. Und: Er ist zu nah dran, ist übergriffig. Wenn ich Angst habe, meine Partnerin ist zu weit weg, kriege ich Angst, verlassen zu werden, und klammere. Wenn ich das Gefühl habe, sie redet mir ständig dazwischen, dann werde ich kalt und weise sie zurück. Das lässt sich aber ganz gut besprechen und auspendeln.

Wie gehen Sie als Therapeut konkret vor, wenn vor Ihnen ein Paar sitzt, wo der Mann keine Lust mehr auf Sex hat?
Ich frage den Mann zunächst, worauf haben Sie keine Lust? Auf Sex mit Ihrer Frau? Auf den Sex, den Sie haben?

Gehen die dann nicht einfach in den Puff?
Das ist ja umständlicher als Internetpornografie, und man könnte gesehen werden. Und die, die in den Puff gehen, haben immerhin noch Sex. Neulich kam in meiner Praxis bei einem Paar heraus, dass er zweimal im Puff war – und die Frau sagte spontan zu ihrem Mann: Du lebst ja noch! Das war ein guter Dreher, indem sie sagte, das passt mir zwar nicht, aber immerhin, da ist noch was.

Betreiben Sie Ursachenforschung mit den Paaren?
Man kann nach den Ursachen fragen, wann hat das angefangen, aber meist bringt es nichts, die Ursachen zu kennen. Das ändert nämlich noch nichts. Also, wenn sie sagt, du hast mich vor drei Jahren betrogen, seitdem kann ich mich dir nicht mehr sexuell öffnen – da könnte man sagen, das ist eine Ursache. Aber auch dann ist die Frage nicht, was ist damals gewesen, sondern, wie kann ich das Thema abschliessen? Wie kann ich diese verletzende Phase zu Ende bringen und wieder in die Gegenwart kommen? Sonst sind sie ständig in der Situation vor drei Jahren und geraten in eine vergangenheitsorientierte Trance.

Demnach ist Unlust nicht unbedingt Ausdruck für ein substanzielles Beziehungsproblem?
Nicht per se. Es ist der Lauf der Dinge in langjährigen Beziehungen. Für mich als Therapeuten ist es eine wichtige Perspektive, mit dem Paar eine erotische Zwischenbilanz zu ziehen: Der Gedanke dahinter ist der, dass das Paar seine Sexualität noch nicht in die Gegenwart gebracht hat, sondern an der alten festhängt – wie kann man mit dem, was heute der Fall ist, was Fakt ist, wie kann man damit anständig umgehen, egal, woher es kommt? Dem Schrecken, dem Ungewünschten ins Auge gucken: Lieben Sie Ihr Bild von Ihrem Mann mehr oder den realen Karl-Heinz? Ich schlage denen vor, zu prüfen, wie hat es sich entwickelt, was ist gut, was kann man weitermachen, was hat sich überlebt, was muss man sich neu ausdenken?

Und da prasseln dann die Vorschläge?
Stellen Sie sich das nicht so schnell vor, da braucht man schon mal ein Jahr oder zehn oder zwanzig Sitzungen. Ich stelle mit denen zusammen fest, ja, womöglich ist die alte Lust, wie sie einmal war, tatsächlich weg, verloren gegangen. Und frage sie dann: Wie schätzen Sie es ein, ist sie gestorben oder eingeschlafen? Die meisten antworten darauf, es wäre besser, wenn sie eingeschlafen wäre.

Die Hoffnung stirbt zuletzt?
Danach stelle ich die Frage: Wollen Sie sie wieder wecken? Oder wenn sie antworten, die Lust sei gestorben: Haben Sie sich von der Lust verabschiedet? Womöglich brauchen sie erst den Abschied von der alten Lust, bevor sie zu der neuen kommen. Und mit der neuen Lust, das sage ich nicht so dahin, da gibts eine schöne kanadische Studie, die hat Paare über 60 mit 35 Jahren Beziehungsdauer und zufriedenem Sexleben gefragt, was ist guter Sex für euch? Die haben durch die Bank gesagt, Erektion und Orgasmus ist für uns Nebensache, die Hauptsache ist Präsenz, Bezogenheit, Ehrlichkeit, Verbundenheit, Langsamkeit. Dieses Nicht-Orgasmus-Orientierte, der Slow Sex ist für die langjährigen Paare attraktiver. Also zum Beispiel, zusammen zu liegen und die gleiche Luft zu atmen, das macht die Erotik aus. Bei jungem Sex zählt so etwas nichts. Aber das muss man erst einmal so angucken und gelten lassen, allerdings nicht im Sinne von Schönreden.

Man kennt ja auch die Geschichten von Paaren, die noch nach Jahrzehnten Beziehung besinnungslos übereinander herfallen. Was machen die richtiger?
Halt, das ist ja schon tendenziös gedacht. Die machen auch nichts richtiger – dreimal in der Woche Sex ist ja nicht besser als nullmal Sex.

So lautet aber die sexuelle Vorschrift.
Solange man denkt, es muss bleiben, wie es immer war, so lange läuft man in eine Frustration rein, wenn der Sex weggeht. Wenn man sagt, das Leben verläuft in Phasen, wie etwa auch im Beruflichen, und schaut, was ist altersmässig, auch beziehungsaltersmässig, die angemessene Form von Sexualität, dann kommt man in eine positivere Betrachtung hinein: Dann ist man nicht beim Soll, sondern beim Ist. Was ist deine Sexualität, was stimmt für dich heute, was brauchst du, was willst du – und zwar du, nicht, was dein Partner soll? Das nämlich ist oft die Falle, dass der eine sagt, ich bin ja so weit okay, aber mein Partner spurt leider nicht. Dann geht meine Frage dahin, Sie haben jetzt zehn Jahre lang versucht, Ihren Mann zu verändern, und er veränderte sich nicht, können wir nun darüber reden, was möchten Sie machen, wenn es dabei bleibt? Es ist banal, aber der Grossteil dieser Therapie besteht darin, Sollvorstellungen zu relativieren und zum Istzustand zu kommen. Wie ist es, statt, wie soll es sein?

Heisst das, jeden Anspruch, jede Erwartung fahren zu lassen?
Zu gucken, was ist, kann doch auch ein Anspruch sein. Ich stelle mich dem, was der Fall ist. Gucke illusionsloser. Und sich dadurch neu zu entdecken. Also: Sie sind jetzt 20 Jahre verheiratet, interessiert Sie es, wie Ihre Frau geworden ist, was sie ist, was Ihre Frau heute für Fantasien hat, oder eher nicht? Der neue Blick auf den alten Partner, das ist das Interessante.

Man meint den anderen aber in- und auswendig zu kennen.
Na, man kennt den anderen ja nur dann gut, wenn man immer die gleichen Routinen hat, immer die gleichen Trampelpfade geht. Aber das ist einer der grössten Irrtümer, dass ich jemanden kenne, bloss weil ich 20 Jahre mit ihm zusammen bin – und es kann witzigerweise eine Erlösung sein, das einmal infrage zu stellen. Was ich anbiete, ist: Menschen entwickeln sich, und möglicherweise hat sich bei Ihrem Mann/Ihrer Frau in den letzten Jahren etwas entwickelt, was Sie noch gar nicht kennen. Interessiert Sie das? Es geht immer übers Interesse. Manche sagen, nein – dann muss man überlegen, was daraus folgt. Und die, die Ja sagen, haben von da an ein interessantes Projekt, das man etwa «Sex 2015» nennen kann. Dann wird daraus nochmals eine interessante Suchbewegung anstatt ein alters­reifer, resignativer Schritt, nach dem Motto, man muss es betrauern.

Wie gehen die Paartherapien, wo Unlust das Hauptthema war, Ihrer Erfahrung nach aus?
Es gibt typische Ausgänge. Einer davon ist, die Sexualität wird ausgelagert, der, der mehr will, sucht sie sich woanders. Also ein verabredetes oder nicht verabredetes Fremdgehen. Die zweite Möglichkeit ist, dass es beide lassen. Und in eine Verbitterung hineingeraten. Das ist übrigens die häufigste. Das heisst nicht, es entspannt sein zu lassen, nach dem Motto, na, dann eben nicht, sondern es einander krummzunehmen, dass es so ist. Unglücklich zusammen ins Alter zu gehen, weil der Preis, sich zu trennen, zu gross erscheint. Es dem anderen übelzunehmen, dass ich ihn brauche. Mehr brauche, als mir lieb ist.

Das wäre der traurige Ausgang?
Ja. Der andere Ausgang ist, das zu bejahen, was ist – das sind in meinen Augen eigentlich glückliche Ausgänge. Zu sagen, so ist es gekommen, aber in einer Gesamtbewertung dieser Beziehung gibt es auf der Plus-Seite so viel, dass wir zusammenbleiben, obwohl sexuell nicht viel los ist. Das wäre ein reifes Akzeptieren, dass es sich verändert hat in eine Richtung, die man am Anfang nicht wollte, aber mit der man leben kann. Und die würde ich nicht pathologisieren, sondern eher Glückwünsche aussprechen: So kann man es machen. Das ist etwas Lebbares, etwas, wobei man sich nicht verbiegen muss.

Also hinsehen, wie die individuelle Lösung aussehen könnte, anstatt verbittert zusammen alt zu werden?
Verbitterung ist auch eine Wahlmöglichkeit: Ich sage den Paaren, Sie können sich dafür entscheiden, zu sagen, der andere hat mein Leben verdorben, er ist schuld daran, dass es mir nicht gut geht. Sie sind frei.

Eine Suggestivfrage.
Natürlich! Niemand sagt: Ich wähle die Verbitterung. Aber: Was soll man denn schon machen? Und bleibt halt verbittert. Meine Linie ist weitgehend die, dass man Herr oder Herrin seiner Sexualität ist. Es macht einen Unterschied, ob ich entscheide, den sexuellen Teil meines Lebens zu beenden, oder ob man sagt, da geht leider nichts mehr. Für den objektiven Beobachter ist es dasselbe, sie haben beide keinen Sex, aber der eine bejaht es, der andere hadert damit. Ich glaube, die Freiheit beginnt dann, wenn ich Ja und Nein zum Sex gleich gut, gleich souverän sagen kann.

Wie sieht für Sie persönlich eine gesunde Sexualität aus?
In meinen Augen ist eine authentische Sexualität das höchste Gut. Authentisch heisst, dass ich mich zeigen kann, wie ich bin, ohne Kompromisse zu machen. Dass ich mich meinem Partner zumuten kann und dass ich es aushalte, dass mein Partner sich mir zumutet. Dass ich hingucken kann, ob es mir passt oder nicht. Wenn meine Partnerin sagt, ich möchte ausgepeitscht werden, und ich sage, ich lehne das ab – dann haben wir einen Dissens, aber es ist authentisch, im Sinne von: Ich weiss das.


Quelle: https://mobile2.12app.ch

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